GMDS-Stellungnahme zur deutschen Übersetzung der ICD-10Revidierte Fassung vom 31.3.1991 R. Klar, R. Thurmayr, B. Graubner, T. Winter Unter Mitarbeit von R. Repges, G. Steyer, A. Swoboda 1. Vorbemerkung Das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) hat im Auftrag des damaligen Bundesministers Für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit (BMJFFG) medizinischen Fachgesellschaften und Institutionen den systematischen Teil (= Band 1) der 10. Revision der International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD-10) in der deutschsprachigen Fassung (Stand: 18.9.1990) des damaligen Instituts für Medizinische Statistik und Datenverarbeitung (ISD) Berlin und des DIMDI bzw. das V. Kapitel in der Bearbeitung der Arbeitsgruppe der Psychiater der Bundesrepublik Deutschland zur Beurteilung vorgelegt. Gleichzeitig wurde die vorläufige englische WHO-Fassung (Stand: September 1989) zur Verfügung gestellt. Auch die GMDS und eine Reihe von Experten in der GMDS haben die ICD-10 in dieser Form erhalten, und der Präsident der GMDS hat die GMDS-Arbeitsgruppe "Medizinische Dokumentation und Klassifikation" gebeten, eine Stellungnahme zur ICD-10 auszuarbeiten. Wegen der langwierigen Abstimmungsprozesse und der kurzen zur Verfügung
stehenden Zeit war Ende 1990 zwischen dem Präsidenten des DIMDI und
dem Leiter dieser GMDS-AG vereinbart worden, daß bis Ende Februar
1991 eine erste Fassung der GMDS-Stellungnahme fertiggestellt und eine
revidierte Fassung bis Ende März 1991 nachgereicht wird. Die GMDS
möchte außerdem weitere detaillierte Bemerkungen abgeben, um
die spätere Nutzung der ICD-10 zu verbessern. Diese können jedoch
nicht bis April 1991 fertiggestellt werden, so daß sie nicht zu den
Abstimmungsgesprächen mit der Schweiz und Österreich vorliegen
werden.
2. Allgemeine Stellungnahme zur ICD-10 Die GMDS begrüßt grundsätzlich die Aktivitäten der Bundesregierung und des DIMDI, sich in die internationalen Bemühungen zur Verbesserung der ICD verstärkt einzuschalten und dabei die deutschen Belange einzubringen und dafür auch den Rat der methodenorientierten, fachgebietsübergreifenden GMDS einzuholen. Da die ICD-10 WHO-intern in der vorliegenden Form bereits abgeschlossen und formal von der WHO-Generalversammlung im Mai 1990 verabschiedet worden ist, kann auf diese Revision kein Einfluß mehr genommen werden. Die WHO-Generalversammlung hat auch die Empfehlung an die Mitgliedsländer übernommen, die ICD-10 zum 1.1.1993 einzuführen. Die Mitgestaltungsmöglichkeiten der Bundesregierung und des DIMDI sollten jedoch bei der 11. Revision rechtzeitig wahrgenommen und Änderungen bereits jetzt gesammelt werden. Die ICD-10 muß nach unserer Auffassung wegen der damit verbundenen Verbesserungen im Vergleich zur ICD-9 entgegen einiger anderer Bestrebungen in Deutschland möglichst zum empfohlenen Termin, 1.1.1993, oder doch bald danach eingeführt werden. Dazu sollte sie rechtzeitig, d.h. mindestens 6 Monaten vor dem Einführungstermin, in der vollständigen deutschen Fassung zur Verfügung stehen, damit sich die Betroffenen, insbesondere Dokumentationskräfte, damit vertraut machen und die automatischen Kodierungshilfen umgestellt werden können. Der Einführungstermin muß vor allem mit den beiden anderen deutschsprachigen Ländern, Österreich und der Schweiz, aber auch mit den anderen Nachbar- bzw. EG-Staaten abgestimmt sein. Auf die Notwendigkeit einer Erprobungsphase sei ausdrücklich hingewiesen, da manche Probleme erst im praktischen Einsatz zu erkennen sind (seitens der WHO sind Feldtests für die Kapitel V, XIX und XX durchgeführt worden). In den neuen Bundesländern liegen dazu Erfahrungen bei der Einführung der ICD-8 (1968) und ICD-9 (1979) vor. Die dreibändige Buchausgabe solle wieder so preiswert sein wie die zweibändige ICD-9-Ausgabe von 1979, und es sollte auch eine Taschenbuchausgabe vorliegen wie in der ehemaligen DDR zu ICD-9, damit nicht weiterhin, wie bei der ICD-9 in den Kliniken der alten Bundesländer, mit Faltblättern für den Dreisteller, z.B. vom Verband deutscher Rentenversicherungsträger, unzureichend verschlüsselt wird. Auch seitens der WHO ist vorgesehen, eine derartige Ausgabe auf der Basis der dreistelligen Notationen zur Verfügung zu stellen. Insbesondere der alphabetische Teil (= Band III) sollte neben der Übersetzung des englischen Originals zusätzliche deutsche Bezeichnungen enthalten, die dem klinischen Sprachgebrauch entsprechen und als Ergänzungen gekennzeichnet sein müssen. Gängige Bezeichnungen enthalten die Diagnosensammlungen mehrerer Kliniken und Softwarehäuser, die solche Texte als Referenzdateien gesammelt haben. Das DIMDI sollte unbedingt darauf achten, daß keine fachspezifischen deutschen ICD-10-Ausgaben publiziert werden, die nicht mit den drei- und vierstelligen Notationen der Originalausgabe voll kompatibel sind. Die Fachgesellschaften sollten davor gewarnt werden, solche ICD-Erweiterungen ohne Absprache mit dem DIMDI herauszugeben. Derartige autorisierte Ausgaben könnten durch eine Art "Gütesiegel" gekennzeichnet werden. (Die WHO hat festgelegt, daß Normal- und Spezialausgaben der ICD-10 nur mit Erlaubnis verbreitet werden und erscheinen dürfen. (Das DIMDI sollte hier die deutsche Kontakt- und Koordinierungsinstitution sein.) Die ICD-10 muß auch auf computerlesbaren Datenträgern erhältlich sein. Dazu sollten Dateien in der Struktur der Buchform, wie bisher, vorliegen und weitere, die aus Sätzen aufgebaut sind, die Notation und zugehörigen Text enthalten. Diese Texte müssen selbsterklärend, d.h. ohne Bezug auf andere Sätze verständlich sein. Gerade zu Dekodier- und Tabellierungszwecken wäre es nötig, Dateien mit einer Satzlänge von 60 Bytes – eventuell mit Folgezeile(n) – und von 80 sowie 120 Bytes erhalten zu können. Es wäre wünschenswert, diese Dateien mit selbsterklärendem Text auch als Listen zur Verfügung zu stellen. Vielleicht wäre es möglich, daß Benutzer diese Dateien kostenlos erhalten, wenn sie sich an den notwendigen Bearbeitungen beteiligen. Die GMDS könnte dabei federführend für die Verteilung und Überwachung der Arbeit tätig werden, solange noch kein deutsches medizinisches Klassifikationszentrum existiert. Auch seitens der WHO ist angekündigt, die ICD-10 in verschiedenen Formen auf computerlesbaren Datenträgern zur Verfügung zu stellen. Es erscheint uns ganz dringend, die Urheberrechtsprobleme mit der WHO dahingehend abzusprechen, daß wissenschaftliche Arbeiten der Universitätsinstitute und anderer Interessenten mit der ICD-10 uneingeschränkt möglich bleiben. Die ICD-9 ist aus der Sicht der einzelnen medizinischen Fachgebiete in vielen Punkten veraltet, denn sie wurde bereits 1975/76 verabschiedet. Moderne medizinische Erkenntnisse spiegeln sich in ihr nicht wieder, und sie enthält eine Reihe überholter und zu wenig differenzierter Angaben. Die ICD-10 sollte hier wesentliche Verbesserungen bieten, was sie, zumindest in einer Reihe von Bereichen, auch tatsächlich leistet. Die GMDS möchte sich nicht zu fachspezifischen Einzelheiten, sondern nur zu Fragen der Systematik und Struktur der ICD-10, zur Einordnung der ICD-10 in die Familie weiterer begrifflicher Ordnungssysteme (Klassifikationen, Nomenklaturen, Thesauri, Terminologien; siehe z.B. Report of the International Conference for the 10th Revision of the International Classification of Diseases, Geneva, 26. September – 2. Oktober 1989 [WHO/ICD10/REV. CONF/89.19. Rev. 1]) sowie zur computerunterstützten Anwendung, auswertenden Nutzung und Pflege der ICD-10 äußern. Die GMDS bedauert, daß die neueste englische Fassung der ICD-10
(sog. $-Version), die von der WHO im Anschluß an die WHO-Generalversammlung
im Mai 1990 erstellt und im September 1990 den nationalen ICD-Stellen der
Mitgliedsländer zur Verfügung gestellt wurde, nicht zur Verteilung
kam. Somit werden einige Punkte dieser Stellungnahme möglicherweise
schon jetzt bedeutungslos sein. Die GMDS ist sich bewußt, daß
viele Anregungen sowohl der GMDS als auch der klinischen Fachgesellschaften
nicht einfach durch eine Korrektur oder eine von der originalen ICD-10
abweichende Übersetzung bzw. Übertragung verwirklicht werden
können, sondern als gekennzeichnete erläuternde Hinweise oder
Ergänzungen in die deutsche Version aufgenommen werden müßten.
3. Stellungnahme zur Systematik und Struktur der ICD-10 Die grundsätzliche Unidimensionalität der ICD mit verschiedenen Dimensionen in den einzelnen Kapiteln ist im Prinzip auch in der 10. Revision unverändert beibehalten worden. Damit entspricht die ICD-10 nicht den Anforderungen an eine moderne, methodisch korrekte und praktisch einfach anzuwendende Klassifikation. Die WHO wollte sich jedoch laut Beschluß der Revisionskonferenz trotz der radikalen Umstellung auf eine alphanumerische Notation aus Kontinuitätsgründen im Prinzip nicht von der gewohnten Systematik trennen und hat damit die Forderungen der meisten Landesämter der Welt und anderer, mit der ICD befaßter Institutionen erfüllt. Nur in einigen Kapiteln, z.B. der Neurologie, kam es zu Ausgliederungen. Es ist zu begrüßen, daß jetzt für spätere Ergänzungen, die unter Verantwortung der WHO erfolgen sollen, bedeutend mehr freie dreistellige Notationen zur Verfügung stehen. Das Ordnungsprinzip zwischen den Kapiteln und innerhalb der Kapitel ist oft unlogisch und inkonsistent, was zu unterschiedlichen Verschlüsselungsmöglichkeiten eines Begriffs führen kann. Die Forderung nach eindeutigen disjunkten Klassen wird mit auch für Experten kaum noch durchschaubaren Listen von Ein- und Ausschlußbegriffen, Kreuz-Stern-Notationen, unterschiedlichen Regeln für die Morbiditäts- und Mortalitätsbegriffe usw. unvollkommen erfüllt. Das System der Kreuz-Stern-Doppelklassifikation ist gegenüber der ICD-9 weiter ausgebaut und führt beim wenig geschulten Kodierer zur Verwirrung. Wenn die Möglichkeit zur Mehrfachkodierung gegeben ist oder beispielsweise beim Einsatz EDV-gestützter Verschlüsselungssysteme und Auswertungsroutinen, bietet diese Doppelklassifikation aber eine Reihe von Vorteilen und sollte dort konsequent genutzt werden. Die Definition des Inhalts der ICD-10-Kategorien und –subkategorien ergibt sich, wie schon in der ICD-9, nur bei den psychiatrischen Krankheiten aus Kurzbeschreibungen. In den meisten übrigen Kapiteln definieren Ein- und Ausschlußbegriffe, Überschriften sowie vor- und nachstehende Begriffe die Kategorien. Das noch nicht vorliegende alphabetische Verzeichnis der ICD-10 kann zur korrekten Einordnung und Verschlüsselung genutzt werden, sofern es genau die betreffende Formulierungsvariante des Begriffs enthält. Wünschenswert wäre gegenüber der ICD-9, wie bereits oben erwähnt, eine breitere Berücksichtigung des klinischen Sprachgebrauchs. Hierin sollte die deutsche Fassung über das englische Original hinausgehen. Die englischen NEC- und NOS-Kategorien (= nicht anderenorts klassifiziert
/ nicht näher bezeichnet) sind in der ICD-10 gegenüber der ICD-9
vermehrt verwendet, was gelegentlich zu einer unangebrachten Überbetonung
besonders der NEC-Kategorien als auch zu Inkonsistenzen zwischen NEC- und
NOS-Kategorien führt. Wohl aus Gründen der weltweiten Nutzung
wurden viele veraltete oder gänzlich unspezifische Begriffe in der
ICD-10 beibehalten, obwohl dafür adäquate neue und differenziertere
Begriffe vorhanden sind. Diese sollten in jedem Fall neben den alten angeführt
und die veralteten auch als solche gekennzeichnet werden. Es ist in diesem
Zusammenhang zu hoffen, daß die WHO in der 11. Revision die Arbeiten
an der Internationalen Nomenklatur der Krankheiten (IND) für die ICD
nutzbar machen wird.
4. Stellungnahme zu Beziehungen zwischen der ICD-10 und weiteren medizinischen Klassifikationen Die WHO und andere um Standardisierung und Klassifikation von medizinischen Begriffen bemühte Stellen beabsichtigen, eine "Familie medizinischer Klassifikationen" zu schaffen, in der die ICD die wichtigste Klassifikation darstellt. Die GMDS unterstützt diese Bestrebungen und vermißt schon jetzt bei der ICD-10 eine klare Abgrenzung dieser Klassifikation gegenüber anderen und eine ausführliche Erläuterung der Verflechtung mit diesen. Wichtig und dringlich zu verdeutlichen bzw. zu klären sind die Beziehungen zur International Classification of Diseases for Oncology (ICD-O), zur International Classification of Impairments, Disabilities and Handicaps (ICIDH) und zur International Classification of Procedures in Medicine (ICPM), Klassifikationen, die von der WHO begonnen und gepflegt bzw. später wieder vernachlässigt (z.B. ICPM) worden sind. Es ist zu begrüßen, daß die WHO Umsteigertabellen von der ICD-9 zur ICD-10 und zurück verfügbar machen will, wobei auch Hinweise zu liefern wären, in welchen Kategorien nicht eindeutig von der ICD-9 auf die ICD-10 und umgekehrt umgestiegen werden kann. Die Entwicklung einer deutschen, unter klinischen Gesichtspunkten erweiterten ICD-10 in Form einer ICD-10-KM (Klinische Modifikation) oder ICD-10-KE (Klinische Erweiterung), vorwiegend für den Krankenhausbereich mit deinen nach Bundespflegesatzverordnung (BPflV) und Krankenhaus-Statistikverordnung (KHStatV) vorgeschriebenen Diagnosenstatistiken ist ebenfalls zu verfolgen. Die amerikanische ICD-9-CM (Clinical Modification) wurde bereits 1978 publiziert und wird jährlich revidiert; die ICD-10-CM ist für 1995 vorgesehen. Band 3 der ICD-9-CM ist eine Prozedurenklassifikation, die inhaltlich eng mit der ICPM verknüpft ist. Da insbesondere eine Operationsklassifikation neben der ICD als international anerkannter Diagnosenklassifikation für die medizinische Dokumentation am bedeutungsvollsten ist, wird dringend empfohlen, im Zusammenhang mit EG-Aktivitäten, z.B. im AIM-Projekt SESAME (Advanced Informatics in Medicine, Standardization in Europe on Semantical Aspects of Medicine), auch in Deutschland die Bemühungen zur Schaffung einer einheitlichen Operations- bzw. Prozedurenklassifikation zu verstärken und sich bei der WHO für eine Wiederaufnahme bzw. geeignete Weiterführung der Arbeiten an der ICPM einzusetzen. Im Bereich von Klassifikationen außerhalb der WHO sind die Beziehungen z.B. zu SNOMED (Systematized Nomenclature of Medicine) und MeSH (Medical Subject Headings der National Library of Medicine der USA) weiter zu entwickeln. Für einige Begriffsgruppen werden, z.T. auch nur in Deutschland, spezielle Klassifikationen in breitem Umfang genutzt und sollten ebenfalls in die deutsche ICD-10 eingegliedert werden. Hierzu zählen z.B. die Kiel-Klassifikation der Lymphome und die NYHA-Klassifikation (New York Heart Association) des Schweregrades von Herzerkrankungen. Die E- und V-Zusatzklassifikationen der ICD-9 sind als Kapitel XX und XXI Bestandteile der ICD-10 geworden. Bei der Anwendung ist sorgfältig zu beachten, wann nach Kapitel XX oder XXI und wann nach den übrigen Kapiteln bzw. nach beiden Arten zu verschlüsseln ist. Der mühsame Anschluß Deutschlands an den internationalen
Höchststand auf dem Gebiet der medizinischen Klassifikation sollte
vor allem im Kontakt mit den entsprechenden Institutionen und Gremien der
Europäischen Gemeinschaften bzw. ihrer Länder stattfinden.
Zur korrekten und effizienten Verschlüsselung nach der ICD-10 und zur Nutzung dieser Klassifikation in statistischen Auswertungen und im Retrieval ähnlicher Fälle sollten umfassende und differenzierte Hilfen angeboten werden. Hierzu zählen alle Aufgaben und Funktionen des von der GMDS vorgeschlagenen Klassifikationszentrums für medizinische Begriffe (siehe das entsprechende GMDS-Memorandum). Wesentliche Gesichtspunkte dazu sollen hier zitiert und bezüglich der ICD-10 konkretisiert werden:
Die Kodierregeln für Morbidität und Mortalität liegen, auch in ihrer endgültigen englischen Version, noch nicht vor und werden dringend zur Beurteilung der ICD-10 benötigt. Ebenso fehlt die Einführung in die ICD-10. Nach den Entwürfen zu urteilen, scheinen sich eine Reihe von Verbesserungen zu ergeben. Es muß für Deutschland geklärt werden, ob mit der Einführung der ICD-10 alle WHO-Regeln und –Empfehlungen verbindlich werden. Das dürfte dann auch Konsequenzen für Verordnungen haben, die auf der Basis der ICD-9 erlassen worden sind. In jedem Fall muß in Abstimmung mit dem zuständigen Bundesministerium (BMA?, BMG?) eine aktualisierende Überarbeitung des "Leitfadens zur Erstellung der Diagnosenstatistik" nach § 16 der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) erfolgen, der jetzt u.a. im Band IA der bundesdeutschen ICD-9-Ausgabe von 1998 abgedruckt ist und in den Band II (= WHO-Regelwerk etc.) der geplanten dreibändigen deutschen ICD-10-Ausgabe aufgenommen werden sollte. Es wäre zweckmäßig, in Übereinstimmung mit den WHO-Empfehlungen den Krankenhäusern darin nicht nur Empfehlungen für die Erstellung unikausaler Diagnosenstatistiken, sondern auch für die Anfertigung multikausaler Diagnosenstatistiken zu geben, die sowohl die Möglichkeiten der Mehrfachkodierung (Kreuz-Stern-Verschlüsselung, Berücksichtigung des Kapitels XX u.a.) als auch die Kodierung weiterer Diagnosen einbeziehen. Dabei sollten auch die Möglichkeiten einer konzentrierten Informationsdarstellung mittels der verschiedenen WHO-Kurzlisten für die Tabellierung der Morbidität und Mortalität behandelt werden. Zu berücksichtigen wären u.a. auch die Ergebnisse des gerade abgeschlossenen BMA-Forschungsprojekts "Diagnosenstatistik. Einsatz im Krankenhaus und für Pflegesatzverhandlungen". Die Dokumentation und Verarbeitung von Diagnosen im ambulanten Behandlungsbereich wird zukünftig an Bedeutung sowohl für die Behandlungsstellen als auch für die Gesundheitsberichterstattung gewinnen und sollte gemäß den WHO-Empfehlungen eine stärkere staatliche Beachtung finden. Auf eine Stellungnahme zu den einzelnen Kapiteln der ICD-10 geht die
GMDS nicht ein, da hierzu die medizinischen Fachgesellschaften aufgerufen
sind (siehe z.B. den Kommentar der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie
und Traumatologie [DGOT]).
Die GMDS ist der Auffassung, daß die ICD-10 gegenüber der
ICD-9 einen deutlichen Fortschritt darstellt. Wenn auch genügend Kritikpunkte
bestehen bleiben, so ist doch im Interesse einer übernationalen Vergleichbarkeit
der Morbiditäts- und Mortalitätsstatistiken und –dokumentationen
die rasche, jedoch sorgfältig vorbereitete und insbesonders mit den
Nachbar- bzw. EG-Staaten abgestimmte Einführung der ICD-10 in Deutschland
dringend notwendig.
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