Abbildung medizinischen Handelns in den Kode-Definitionen
der Fallpauschalen und Sonderentgelte
Thurmayr G.R. , Bartkowski, R., Elger, B., Eversmann, B.J., Kolodzig, C., Schrems, M., Thurmayr, R.1, Winter, T., Zaiß, A.
Die Kodierung der Diagnosen und Operationen mit ICD-9 und OPS-301 für
die Abrechnung von Fallpauschalen (FP) und Sonderentgelten (SE) gemäß
der Vorgabe des Gesundheitsstrukturgesetzes führt bei unkontrollierten
Kombinationen zu Fehlerraten von 15 bis 30 Prozent. Wenn dagegen GSG- Daten
von Fachpersonal mit genauer Kenntnis der vorgeschriebenen Schlüsselsysteme
überprüft werden, liegt die Fehlerrate bei einem Prozent.
Der Gesetzgeber wollte eine Abbildung medizinischen Handelns durch
die Kodedefinitionen erreichen, aber eine zusätzliche Kodierung der
Fallpauschalen (FP) und Sonderentgelte (SE) vermeiden. Er veröffentlichte
in Anlage 1 (FP- Katalog) und in Anlage 2 (SE- Katalog) der BPflV 1995
die Entgeltkataloge, in denen die Zuordnung der ICD-9- und ICPM/OPS-301-Nummern
zu den entsprechenden FP- und SE-Nummern definiert wurden. Auf Grund dieser
Listen schlagen Computerprogramme nach Kodierung der Diagnose und der Operation
eines Patienten die entsprechende FP/SE vor.
In den Entgeltkatalogen wurden die ICD-9- und die OPS-301- Kodes, die
zu einer FP/ SE- Nummer führen, in getrennten Spalten aufgelistet,
ohne darauf zu achten, daß die freie Kombination dieser beiden Listen
zu widersprüchlichen medizinischen Inhalten führen kann, z.B.
in der Sequenz von ICD-9 530.9 (Leistenhernie) und OPS- 301 5-531.0 (Operation
einer Schenkelhernie) bei der FP 12.07.
Während dieser Widerspruch zwischen Diagnose und Operation jedem
Laien sofort auffällt, ist dies bei anderen Fachgebieten ohne spezielle
Kenntnisse nicht erkennbar. Trotz laut Entgeltkatalog scheinbar richtiger
Dokumentation der FP/ SE liegt in solchen Fällen ein medizinischer
Widerspruch vor, d.h. die Abbildung medizinischen Handelns wurde falsch
widergegeben, es geht aus den Kodenummern nicht klar hervor, ob es sich
um eine Leisten- oder eine Schenkelhernie oder sogar beides handelt.
Wegen dieser Problematik setzte sich die Projektgruppe "Entgeltdefinitionen"
der GMDS-AG "Medizinische Dokumentation und Klassifikation" das Ziel, alle
medizinisch sinnvollen Kombinationen in den Entgeltkatologen festzustellen
und sie als künftigen Standard zur Verfügung zu stellen. Sie
konnte sich auf eine bereits im IMSE (TU München) entstandene Differenzierungsdatei
stützen, in der aus den vorgeschlagenen ICD-9, OPS-301- Kodes und
zugehörigen Entgelt-Nummern unter strikter Beachtung der Kodiervorschriften
(Inklusiva, Exklusiva, Hinweise, Synonyme, Kommentare) die sinnvollen medizinischen
Kombinationen erarbeitet worden waren. Diese Differenzierungsdatei mit
den sinnvollen Sequenzen liegt sowohl in Tabellenform als auch als Datei
mit den dekodierten Vorzugsbezeichnungen der Schlüsselsysteme ICD-9,
OPS-301 und FP/SE vor und kann zur automatischen Qualitätssicherung
der Kodenummern eingesetzt werden.
Die Projektgruppe validierte und bestätigte diese Differenzierungsdatei
auf Vollständigkeit und medizinische Widerspruchsfreiheit und kam
zu folgendem Ergebnis: Von allen möglichen 66 Tsd. Sequenzen sind
nur 38 Tsd. (57%) medizinisch sinnvoll. Unsinnige Kombinationen treten
bei 24 FP und 8 SE in den Fachgebieten Orthopädie, Geburtshilfe, Abdominal-
und Herzchirurgie auf.
Zur Validierung wurde ein EDV-Programm entwickelt, das diese Differenzierungsdatei
als Wissensbasis benützt. Widersprüche zwischen ICD-9 / OPS-301-
Kodierung und der Angabe der Entgeltformen bei den GSG- Daten für
die Kassen werden damit identifiziert. Zusätzlich entdeckt es auch
fälschlicherweise angegebene oder nicht angegebene Pauschalentgelte.
Die gefundenen Fehlerraten lagen zwischen 15 und 30 Prozent.
Als Konsequenz der vorgenannten Untersuchungen müssen die Entgeltangaben
fachgerecht manuell oder mit einem EDV-Programm unter Einsatz der Differenzierungsdatei
nachgeprüft werden. Dies vermeidet Nachverhandlungen mit den Kassen
und verzögerte Zahlungen. Eine Qualitätssicherung dieser Dokumentation
ist zwingend notwendig, da sie für administrative, für klinische
und wissenschaftliche Zwecke genutzt werden soll. Nur eine vielfältige
Verwendung rechtfertigt den hohen Arbeitsaufwand des meist ärztlichen
Fachpersonals und den Geldbedarf für Hard- und Software.
Kommerzielle Programme zur Kodierungsunterstützung und Fallpauschalenbestimmung
sollten eine standardisierte Differenzierungsdatei zur Vermeidung unsinniger
Kombinationen verwenden. Außerdem ist es wichtig, daß solche
Programme das komplizierte Regelwerk der Entgeltkombinationen berücksichtigen,
sowie die Gültigkeit von Beziehungen der Diagnosen und Operationen
untereinander und zu Alter, Geschlecht, Klinik u.s.w. nachprüfen,
um besser zur Abbildung medizinischen Handelns in Kode- Definitionen beitragen
zu können. [1] All diese Forderungen sind interaktiv zu verwirklichen.
Im IMSE der TU München wurde ab 1996 eine nachträgliche automatische
Qualitätssicherung der Kodierung von Fallpauschalen und Sonderentgelten
mit Hilfe der Differenzierungsdatei und einem EDV- Programm mit gleichzeitiger
Beachtung von Regelwerken und Gültigkeit der vorgenannten Beziehungen
realisiert. Diese Qualitätssicherung kann für unterschiedliche
Datenmengen und Ziele eingesetzt werden: für Daten im gesamten Klinikum,
oder gezielt für Daten bestimmter Abteilungen, bestimmter Krankheitsgruppen
oder auch als begleitende Schulungsunterstützung.
Das Universitätsklinikum Essen setzt seit Januar 1997 die Differenzierungsdatei
routinemäßig vor Freigabe an die Kassen ein und bestätigt
die Qualitätssicherung der Dokumentation durch das Fachpersonal[2]
. 1996 wurden bei 5714 Behandlungsfällen, die nach Entgeltkatalogen
abgerechnet wurden, 27 fehlerhafte Sequenzen gefunden.
Die Differenzierungsdatei steht auch weiteren Interesssenten zur Verfügung.
Sie existiert sowohl entsprechend der 2. und 3. Änderungsverordnung
mit 38 Tsd. medizinisch sinnvollen Sequenzen als auch mit 40 Tsd. medizinisch
sinnvollen Sequenzen entsprechend der 5. Änderungsverordnung.
Die Umsetzung der ICD-9 in ICD-10 Kodes als weiteres Arbeitsziel der
Projektgruppe ist in Bearbeitung. Da sich eine eindeutige Umsetzung in
die ICD- 10 Klassifikation durch die bessere Differenzierung der Krankheitsbilder
nur bei wenigen Diagnosen verwirklichen läßt, wird sich die
Anzahl der medizinisch sinnvollen Sequenzen mindestens verdoppeln. Entsprechend
ist eine bessere Abbildung des medizinischen Handelns in Kode- Definitionen,
jedoch eine höhere Fehlerrate in den Routinedaten zu erwarten.
Literatur:
- Thurmayr, G.R.(1997) Qualitätssicherung der GSG- Daten, Probleme und Lösungsvorschläge. Langenbecks Arch. Chir. Suppl. 2 (Kongreßbericht 97) 831-833
- Stausberg, J., Thurmayr, G.R.(1997): Prüfung der Pauschalentgeltdokumentation
im Universitätsklinikum Essen mit einer validierten Differenzierungsdatei der Entgeltdefinitionen in:
Muche, R., Büchele, G., Harder, D., Gaus, W. (Hrsgb.) Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie GMDS '97. MMV Medizin Verlag München, 35-39
Leitung der Projektgruppe:
PD. Dr. G.R. Thurmayr
Institut für Medizinische Statistik und Epidemiologie der Technischen Universität
München (IMSE)
Ismaninger Straße 22
81675 München

letzte Änderung am 15.12.2003 durch den
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